Badische ZeitungSamstag, 12. März 2011 18:37 Uhr
Sicherheit bei Umzügen
Nach dem Unfall in Oberbergen – Welche Vorschriften gelten für Fasnetswagen? Zu vielen Fasnachtsumzügen gehören bunt geschmückte Wagen, oft mit großen Aufbauten. Doch wer kontrolliert eigentlich, ob diese Wagen sicher sind? Und was, wenn doch ein Unfall passiert, wie gerade eben in Vogtsburg-Oberbergen?
Der Fasnachtsumzug ist schon vorbei, der Narrenwagen auf dem Heimweg. Da passiert es: Beim Abbiegen kommt der Fahrer zu dicht an den Straßenrand. Das rechte Rad der Zugmaschine streift den Bordstein, der Fahrer verliert die Kontrolle über den Wagen und fährt in eine Menschengruppe auf dem Gehweg. Ein fünfjähriger Junge gerät unter den Anhänger. Die Zugmaschine prallte gegen einen Kinderwagen, das Baby wird herausgeschleudert. Beide Kinder werden glücklicherweise nur leicht verletzt. Nach einer Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus sind sie inzwischen wieder zu Hause. Für die Kinder war es Glück im Unglück, dass beim Umzug in Oberbergen nur kleine Wagen dabei sind. "Große Wagen lassen wir seit zwei Jahren gar nicht mehr zu", sagt Udo Beck, Vorsitzender der DRK-Ortsgruppe, die den Umzug organisiert hat. Das Rote Kreuz und die Winzerkapelle wechseln sich jährlich als Veranstalter ab. Der Unglückswagen gehörte laut Beck dem örtlichen Gesangsverein. Es handelte sich um eine einachsige Arbeitsmaschine – eine "Agria" – mit Anhänger. Alles in allem vielleicht zweieinhalb Meter lang und einen halben Meter hoch, schätzt der DRK-Vorsitzende. Der Fahrer habe den Umzug schon zigmal mitgemacht, sagt Beck weiter. Bei Unfällen haftet der Fahrer Auf seiner Heimfahrt nach dem Umzug war der Fahrer nach Auskunft der Polizei allerdings alkoholisiert. Der Bluttest ergab knapp über ein Promille. Die Polizei hat den Führerschein einbehalten und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Denn worüber sich mancher Fasnachtswagenfahrer vermutlich nicht im Klaren ist: Bei Unfällen haftet er selbst. "Der Fahrer ist für die Betriebssicherheit verantwortlich", betont Hartmut Sprich, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizeidirektion Freiburg. Fasnachtswagen und deren Fahrer müssen viele Vorgaben erfüllen. Die Richtlinien für Fahrzeuge bei Brauchtumsveranstaltungen, die das Bundesverkehrsministerium herausgegeben hat, füllen fast vier DIN-A4-Seiten. Demnach müssen Narrenwagenfahrer volljährig sein, einen Führerschein haben und verkehrstüchtig sein. Der Verband Oberrheinischer Narrenzünfte, dem 82 Zünfte angehören, lässt jeden Fahrer zusätzlich eine Erklärung unterschreiben. Damit versichere der Fahrer, dass er fahrtüchtig ist und nüchtern ist, sagt Narrenmeister Paul Teike. Schließlich "ist man als Veranstalter dazu verpflichtet, das Risiko so gut wie möglich zu minimieren". In den 18 Jahren, in denen er dem Narrenverband vorsteht, sei deshalb auch nichts passiert. Mit einer tragischen Ausnahme: An Fasnacht 2008 wurde beim Nachtumzug in Glottertal ein Sicherungsposten überrollt und getötet. Der 46-jährige Mann war zwischen die Zugmaschine und den Anhänger eines großen Narrenwagens geraten. "Damals war aber kein Alkohol im Spiel", betont Narrenmeister Teike. Dennoch habe der Verband daraufhin seine Richtlinien überarbeitet und den Einsatz von überdimensionalen Wagen beschränkt. Die Glottertäler "Triibl" gehören zum Verband Oberrheinischer Narrenzünfte. Die Veranstalter des Oberbergener Fasnachtsumzug wollen in vier Wochen Bilanz ziehen und dann auch über den Unfall sprechen. Derzeit sind sie einfach froh, dass es glimpflich ausgegangen ist. Im Großen und Ganzen, da sind sich Narrenmeister Teike und Verkehrssachbearbeiter Sprich einig, sind Fasnachtswagen über die Jahre aber immer sicherer geworden. Narrenwagen müssen viele Richtlinien erfüllen Da die bunt geschmückten Wagen auf öffentlichen Straßen unterwegs sind, müssen sie der Straßenverkehrszulassungsverordnung genügen – so wie jedes andere Auto auch. Im Unterschied zum Privatauto behalten Narrenwagen aber trotz Hexenhäusle oder Pappmaché-Guttenberg ihre Betriebserlaubnis, vorausgesetzt, die Auf- oder Umbauten beeinträchtigen nicht die Verkehrssicherheit. Tun sie das doch, müssen die Wagenbauer ihr Fahrzeug von TÜV, Dekra oder einem freien Sachverständigen abnehmen lassen. Die Gutachter orientieren sich dabei an Richtlinien des Bundesverkehrsministeriums. Darin sind neben den üblichen Kriterien wie Licht und Bremsen auch die Achslasten, das Gesamtgewicht und vieles mehr geregelt. Sollen während der Fahrt Menschen auf dem Wagen stehen, müssen Haltegriffe und eine mindestens ein Meter hohe Brüstung her. "Außerdem darf der Wagen dann höchstens sechs Stundenkilometer fahren", sagt Frank Volk vom TÜV Süd. Weniger streng sind die Richtlinien für kleine Wagen wie die Arbeitsmaschine in Oberbergen: Fahrzeuge, die nur ein Versicherungskennzeichen brauchen, müssen in der Regel keinem Gutachter vorgeführt werden. Manche Städte oder Landkreise verlangen allerdings, dass alle Umzugswagen noch einmal gesondert überprüft werden. Kontrolliert wird das von den Umzugsleitern vor Ort. Die Polizei ist dafür nicht zuständig.