
SimonS
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Hallo zusammen,
in den folgenden Zeilen möchte ich etwas beschreiben, was für viele Selbstverständlich ist, da sie es damals als Kinder erlebt haben und für die anderen etwas völlig neues ist, da in der Stadt geboren und aufgewachsen sind oder schlicht und einfach zu jung sind - das Landleben und die tägliche Arbeit anno dazumal.
(Bei uns im Südwesten)
Warum haben die meisten Schlepper der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts nur um die 10 - 30 PS, warum ist in vielen ländlichen Dörfern vor jedem Haus ein "Misthof", warum gibt es Ackerwagen aus Holz, warum war das bäuerliche und ländliche Leben so anstrengend und stimmt das überhaupt? Der nachfolgende Bericht soll versuchen die Fragen nach meinem besten Wissen und Gewissen zu beantworten.
Wer heute an eine Landwirtschaft und Bauern denkt, hat Traktoren jenseits der 300 PS, GPS-Steuerung und den Einsatz von Drohnen im Kopf. Doch vor gar nicht all zu langer Zeit war in vielen Dörfen des Südwestens eine völlig andere bäuerliche Struktur üblich. Ich habe das Glück einerseits ein Haus aus der damaligen Zeit mein Eigen zu nennen, andererseits Großeltern gehabt zu haben, die selbst bis in die 1990er Jahre eine Bewirtschaftung wie eben anno dazumal betrieben.
Das Bauernhaus
Zentrum allen Handels und wichtigster Ausgangspunkt war das Bauernhaus. Bei uns ein Haus aus den Jahre 1822, welches 1933 aufgestockt und 1956 umgebaut wurde. Unter dem Haus und in Richtung Dorfstraße war der Stall. Dort wurden Kühe, Schweine, Gänse und Hühner gehalten. Direkt angrenzend war der Misthof und das Sudlloch. Im Keller Richtung Hang, wurden Vorräte gelagert, wie z.B. Kartoffeln und Rüben. Hinter dem Haus gab es einen reichen Gemüsegarten, heute ehr als Bauerngarten bekannt. Ziel war es so viele Lebensmittel selbst am Hof herzustellen wie nur irgend möglich. Im Dachboden wurde das Korn für die nächste Aussaht gelagert. Das nachstehende Bild zeigt mein Haus in den 1950er Jahren (Zustand wie 1933). Von der gegenüberliegen Scheune habe ich noch keine Aufnahme finden können.

Futterversorgung
Die Mitunter wichtigste Aufgabe war das Versorgen der Nutztiere. Zum einen mit frischem Gras zum anderen mit Stroh für den Stall.
Die nachstehenden Bilder zeigen den Einsatz der Muskelkraft und des ersten Traktors meinen Opas, ein Güldner (vermutlich Modell Spessart mit 15 PS).
Ausgestattet mit Messerbalken ersetzte der Schlepper das ziehen des Anhänger anstatt mit Kühen. Verwendet für die Mahd wurde immer nur die Sense, warum, ganz einfach, wurde ja schon immer so gemacht. Die nachfolgenden Bilder zeigen die Futtergewinnung.


Zwischenanekdote
Neulich im Ort erzählt mir ein Mann um die 60 Jahre alt folgende Gegebenheit: Er kenne mein Opa noch aus Kindertagen, also vor gut 50 Jahren. Mein Opa fuhr mit seinem Schlepper und meiner Oma samt Anhänger Richtung Wiese zum Futter holen und sah den Mann, damals ein Kind auf der Straße spielen. Mein Opa hielt an, sagte "Komm mit auf den Anhänger zur Wiese". Auf der Wiese angekommen legte mein Opa einen kleinen Gang ein und setzte den Bub ans Steuer. Oma und Opa luden das gemähte Futter auf den Wagen. Heute? Vermutlich Kindesentführung und Fahren ohne Fahrerlaubnis - schlicht unvorstellbar.
Ernte
Die Ernte, wichtiges Ereignis, welches den Einsatz der ganzen Familie erforderte, u.a. haben wir deswegen in den Bundesländern unterschiedliche Ferienzeiten, da die Kinder zu Ernte zwingend Schulfrei brachten. Alles war damals "knallharte" Arbeit und Aufgabenverteilungen. Stundenlang unter schweren Bedingungen auf dem Felde zu sein. Keine Klimaanlage auf Mähdrescher (der gehörte allen Bauern im Ort zusammen oder wurde gemietet). Stroh per Hand auf den Wagen, Rüben ebenfalls per Hand auf den Wagen... Hier ein paar Bilder:




was noch so anfiel...
Das Futter vorne in die Kuh rein, hinten der Mist raus... und das nicht zu knapp. In jedem Ort roch/stank es. Aber auch die Verwertung der Tiere am Hof war üblich.
Hier einfach mal ein paar Bilder vom Schlachten aufm Hof und Dung aufladen. Bis in die 1960er Jahre führ mein Onkel den Mist und das Sudlfaß mit der Kuh aufs Feld, warum? Der Traktor war einfach zu schade dafür.


Der Schlepper
Eigentlich ja eine Landwirtschaftliche Zugmaschine und das war sie auch. Der Traktor ersetzte das Ziehen eines Wagens oder den Maschinen, bzw. des Pflugs durch die Kuh. Deshalb genügten sehr wenige PS und wichtigstes Anbaugerät war die Ackerschiene. Dort ließen sich alle normal mit der Kuh gezogenen Maschinen, wie bspw. der Kartoffelroder befestigen. Pferde gab es kaum im Ort und diese waren A zu wertvoll und B schlicht zu einseitig, gaben ja kaum Milch und hatten trotzdem Hunger, da war die Kuh schon besser. Dementsprechend wendig musste der Traktor sein, da weder am Hof, noch auf dem Feld Platz war. Das Feld war ja nur so groß, dass es mit der Kuh zu bewirtschaften war. Gott sei dank hat mein Opa, ich glaube in den 1960er Jahren auf Deutz umgeschwenkt. Bis zum Schluss war er ein überzeugter Deutz Fahrer und am Güldner hat er kein einziges Gutes Wort gelassen. Auch Anbaugeräte, wie wir sie heute kennen gab es fast keine, es fehlte schlicht immer am Geld. Hier der Deutz, ebenfalls beim Futter fahren im Juni 1985:

Fazit
Ich hoffe ich konnte euch darstellen und der Nachwelt etwas von diesem Kulturgut aufzeigen, welches heute quasi ausgestorben ist. Denn wie auch bei meinem Opa, war bei den Meisten in den 1990er Jahren oder früher Schluss. Das oben beschriebene primitive und einfache Landleben war bis vor circa 50-60 Jahren in jedem Ort üblich. Mir selbst macht die sehr schnelle Entwicklung Sorgen. Vor 5000 Jahren (in Mesopotamien) bis circa 1950 wurde Ackerbau ähnlich dem oben aufgezeigten Methoden mit Kuh oder kleinem Traktor und menschlicher Muskelraft durchgeführt. Kleine Felder und nur soviel, dass es zum Leben genügt. Heute, Weizen aus Osteuropa, Mais aus Übersee und das alles in Mono-Kulturen, frei nach dem Motto es gibt nur ein Gas - Vollgas - im Bezug auf Profit und Ausbeute unserer Erde. Es soll nun aber kein schlechtes Wort über die Bauern bei uns sein. Nur letztlich hatte die Natur 5000 Jahre lang die Möglichkeit sich zur Bewirtschaftung zu entwickeln und jetzt hat sich binnen 50 Jahre alles verändert - wer kommt da noch mit? Ich selbst habe eine Streuobstwiese, die ich wie anno dazumal bewirtschafte und möchte ebenfalls das Haus in einer gewissen Tradition vorführen. Vielleicht mache ich da ein Thema draus, mal schauen.
Wer jetzt noch mehr und bessere Beschreibungen des Landlebens möchte empfehle ich:
Ich wünsche euch einen schönen Abend,
Simon.
in den folgenden Zeilen möchte ich etwas beschreiben, was für viele Selbstverständlich ist, da sie es damals als Kinder erlebt haben und für die anderen etwas völlig neues ist, da in der Stadt geboren und aufgewachsen sind oder schlicht und einfach zu jung sind - das Landleben und die tägliche Arbeit anno dazumal.
(Bei uns im Südwesten)
Warum haben die meisten Schlepper der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts nur um die 10 - 30 PS, warum ist in vielen ländlichen Dörfern vor jedem Haus ein "Misthof", warum gibt es Ackerwagen aus Holz, warum war das bäuerliche und ländliche Leben so anstrengend und stimmt das überhaupt? Der nachfolgende Bericht soll versuchen die Fragen nach meinem besten Wissen und Gewissen zu beantworten.
Wer heute an eine Landwirtschaft und Bauern denkt, hat Traktoren jenseits der 300 PS, GPS-Steuerung und den Einsatz von Drohnen im Kopf. Doch vor gar nicht all zu langer Zeit war in vielen Dörfen des Südwestens eine völlig andere bäuerliche Struktur üblich. Ich habe das Glück einerseits ein Haus aus der damaligen Zeit mein Eigen zu nennen, andererseits Großeltern gehabt zu haben, die selbst bis in die 1990er Jahre eine Bewirtschaftung wie eben anno dazumal betrieben.
Das Bauernhaus
Zentrum allen Handels und wichtigster Ausgangspunkt war das Bauernhaus. Bei uns ein Haus aus den Jahre 1822, welches 1933 aufgestockt und 1956 umgebaut wurde. Unter dem Haus und in Richtung Dorfstraße war der Stall. Dort wurden Kühe, Schweine, Gänse und Hühner gehalten. Direkt angrenzend war der Misthof und das Sudlloch. Im Keller Richtung Hang, wurden Vorräte gelagert, wie z.B. Kartoffeln und Rüben. Hinter dem Haus gab es einen reichen Gemüsegarten, heute ehr als Bauerngarten bekannt. Ziel war es so viele Lebensmittel selbst am Hof herzustellen wie nur irgend möglich. Im Dachboden wurde das Korn für die nächste Aussaht gelagert. Das nachstehende Bild zeigt mein Haus in den 1950er Jahren (Zustand wie 1933). Von der gegenüberliegen Scheune habe ich noch keine Aufnahme finden können.

Futterversorgung
Die Mitunter wichtigste Aufgabe war das Versorgen der Nutztiere. Zum einen mit frischem Gras zum anderen mit Stroh für den Stall.
Die nachstehenden Bilder zeigen den Einsatz der Muskelkraft und des ersten Traktors meinen Opas, ein Güldner (vermutlich Modell Spessart mit 15 PS).
Ausgestattet mit Messerbalken ersetzte der Schlepper das ziehen des Anhänger anstatt mit Kühen. Verwendet für die Mahd wurde immer nur die Sense, warum, ganz einfach, wurde ja schon immer so gemacht. Die nachfolgenden Bilder zeigen die Futtergewinnung.


Zwischenanekdote
Neulich im Ort erzählt mir ein Mann um die 60 Jahre alt folgende Gegebenheit: Er kenne mein Opa noch aus Kindertagen, also vor gut 50 Jahren. Mein Opa fuhr mit seinem Schlepper und meiner Oma samt Anhänger Richtung Wiese zum Futter holen und sah den Mann, damals ein Kind auf der Straße spielen. Mein Opa hielt an, sagte "Komm mit auf den Anhänger zur Wiese". Auf der Wiese angekommen legte mein Opa einen kleinen Gang ein und setzte den Bub ans Steuer. Oma und Opa luden das gemähte Futter auf den Wagen. Heute? Vermutlich Kindesentführung und Fahren ohne Fahrerlaubnis - schlicht unvorstellbar.
Ernte
Die Ernte, wichtiges Ereignis, welches den Einsatz der ganzen Familie erforderte, u.a. haben wir deswegen in den Bundesländern unterschiedliche Ferienzeiten, da die Kinder zu Ernte zwingend Schulfrei brachten. Alles war damals "knallharte" Arbeit und Aufgabenverteilungen. Stundenlang unter schweren Bedingungen auf dem Felde zu sein. Keine Klimaanlage auf Mähdrescher (der gehörte allen Bauern im Ort zusammen oder wurde gemietet). Stroh per Hand auf den Wagen, Rüben ebenfalls per Hand auf den Wagen... Hier ein paar Bilder:




was noch so anfiel...
Das Futter vorne in die Kuh rein, hinten der Mist raus... und das nicht zu knapp. In jedem Ort roch/stank es. Aber auch die Verwertung der Tiere am Hof war üblich.
Hier einfach mal ein paar Bilder vom Schlachten aufm Hof und Dung aufladen. Bis in die 1960er Jahre führ mein Onkel den Mist und das Sudlfaß mit der Kuh aufs Feld, warum? Der Traktor war einfach zu schade dafür.


Der Schlepper
Eigentlich ja eine Landwirtschaftliche Zugmaschine und das war sie auch. Der Traktor ersetzte das Ziehen eines Wagens oder den Maschinen, bzw. des Pflugs durch die Kuh. Deshalb genügten sehr wenige PS und wichtigstes Anbaugerät war die Ackerschiene. Dort ließen sich alle normal mit der Kuh gezogenen Maschinen, wie bspw. der Kartoffelroder befestigen. Pferde gab es kaum im Ort und diese waren A zu wertvoll und B schlicht zu einseitig, gaben ja kaum Milch und hatten trotzdem Hunger, da war die Kuh schon besser. Dementsprechend wendig musste der Traktor sein, da weder am Hof, noch auf dem Feld Platz war. Das Feld war ja nur so groß, dass es mit der Kuh zu bewirtschaften war. Gott sei dank hat mein Opa, ich glaube in den 1960er Jahren auf Deutz umgeschwenkt. Bis zum Schluss war er ein überzeugter Deutz Fahrer und am Güldner hat er kein einziges Gutes Wort gelassen. Auch Anbaugeräte, wie wir sie heute kennen gab es fast keine, es fehlte schlicht immer am Geld. Hier der Deutz, ebenfalls beim Futter fahren im Juni 1985:

Fazit
Ich hoffe ich konnte euch darstellen und der Nachwelt etwas von diesem Kulturgut aufzeigen, welches heute quasi ausgestorben ist. Denn wie auch bei meinem Opa, war bei den Meisten in den 1990er Jahren oder früher Schluss. Das oben beschriebene primitive und einfache Landleben war bis vor circa 50-60 Jahren in jedem Ort üblich. Mir selbst macht die sehr schnelle Entwicklung Sorgen. Vor 5000 Jahren (in Mesopotamien) bis circa 1950 wurde Ackerbau ähnlich dem oben aufgezeigten Methoden mit Kuh oder kleinem Traktor und menschlicher Muskelraft durchgeführt. Kleine Felder und nur soviel, dass es zum Leben genügt. Heute, Weizen aus Osteuropa, Mais aus Übersee und das alles in Mono-Kulturen, frei nach dem Motto es gibt nur ein Gas - Vollgas - im Bezug auf Profit und Ausbeute unserer Erde. Es soll nun aber kein schlechtes Wort über die Bauern bei uns sein. Nur letztlich hatte die Natur 5000 Jahre lang die Möglichkeit sich zur Bewirtschaftung zu entwickeln und jetzt hat sich binnen 50 Jahre alles verändert - wer kommt da noch mit? Ich selbst habe eine Streuobstwiese, die ich wie anno dazumal bewirtschafte und möchte ebenfalls das Haus in einer gewissen Tradition vorführen. Vielleicht mache ich da ein Thema draus, mal schauen.
Wer jetzt noch mehr und bessere Beschreibungen des Landlebens möchte empfehle ich:
Ich wünsche euch einen schönen Abend,
Simon.